Zuständigkeit des Handelsgerichts für Mieterausweisung im Rechtsschutz in klaren Fällen
Art. 243 ZPO, Art. 257 ZPO
Das Handelsgericht ist sachlich zuständig, die Mieterausweisung im Verfahren um Rechtsschutz in klaren Fällen zu beurteilen. Die mietrechtliche Natur der Klage steht dem nicht entgegen.
BGer 4A_100/2016 vom 13. Juli 2016 (zur Publikation vorgesehen)
Die Vermieterin (B. AG) eines Restaurants hatte vor den ordentlichen Gerichten die Ausweisung der Mieterin (A) im Verfahren um Rechtsschutz in klaren Fällen beantragt. Die Mieterin machte vor Bundesgericht geltend, die ordentlichen Gerichte seien sachlich unzuständig. Es handle sich um eine handelsrechtliche Streitigkeit, da die Vermieterin das Geschäft der Immobilienverwaltung betreibe und sie das Restaurant im Mietobjekt.
Das Bundesgericht bejahte grundsätzlich die Voraussetzungen von Art. 6 Abs. 2 ZPO, prüfte jedoch, ob die mietrechtliche Natur der Klage eine Ausnahme von der handelsgerichtlichen Zuständigkeit darstellt. Hierzu ruft es seine Rechtsprechung in Erinnerung, wonach der Begriff „Kündigungsschutz“ gemäss Art. 243 Abs. 2 lit. c ZPO weit zu verstehen ist; das vereinfachte Verfahren kommt demnach auch zur Anwendung, wenn in einem Ausweisungsverfahren vorfrageweise die Gültigkeit der Kündigung zu beurteilen ist (vgl. hierzu Beitrag zpo-gerichtspraxis.ch). Das Handelsgericht ist für Streitigkeiten gemäss Art. 243 Abs. 2 lit. c ZPO, die im vereinfachten Verfahren zu beurteilen sind, sachlich nicht zuständig (Art. 243 Abs. 3 ZPO). Nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung ist es gewichtiger, in diesen mietrechtlichen Streitigkeiten die beschränkte Untersuchungsmaxime anzuwenden, weshalb die Regelung der Verfahrensart jener der sachlichen Zuständigkeit vorgeht (BGE 139 III 457, E. 4, 5). Demgegenüber handelt es sich beim Verfahren um Rechtsschutz in klaren Fällen um ein summarisches Verfahren, welches auch vor dem Handelsgericht zulässig ist. Der Umstand, dass die Zuständigkeit für die Mieterausweisung zwischen Handelsgericht und ordentlichen Gerichten aufgeteilt sein kann, wenn die Voraussetzungen des Rechtsschutzes in klaren Fällen gegeben sind, erlaubt es nicht, vom geltenden Recht abzuweichen (E. 2.2.4).
Im Übrigen hält das Bundesgericht fest, dass die Gerichte im Rahmen der amtswegigen Prüfung der sachlichen Zuständigkeit auch Sachverhaltsermittlungen vorzunehmen haben, wenn aus den Parteivorträgen, aufgrund von notorischen Tatsachen oder anderen Gründen Anhaltspunkte dafür bestehen, dass eine Prozessvoraussetzung fehlen könnte. Vorliegend hätte das Gericht die notorischen Handelsregisterauszüge der Parteien konsultieren und feststellen müssen, dass die Mieterin als Einzelunternehmerin im Handelsregister eingetragen ist, da aus den Akten hervorging, dass gegen die Mieterin eine Konkursandrohung erging (welche nur gegen im Handelsregister eingetragene Personen zulässig ist) (E. 2.1.1).
Einen Kommentar schreiben