Vereinbarung über Wahlrecht der nicht im Handelsregister eingetragenen Partei
Art. 6 ZPO, Art. 65 ZPO
Eine Vereinbarung der Parteien über die Ausübung des Wahlrechts gemäss Art. 6 Abs. 3 ZPO kann erst nach Entstehung einer Streitigkeit gültig getroffen werden. Das Wahlrecht wird mit der Einleitung des Prozesses beim Wahlgericht ausgeübt und ist mit Eintritt der Fortführungslast unwiderruflich.
ZR 115 (2016) Nr. 3
Die Rechtsvorgängerinnen der Klägerin (Bauherrin) und der Beklagten (TU) hatten in einem Totalunternehmervertrag aus dem Jahr 2007 das Handelsgericht des Kantons Zürich als zuständiges Gericht vereinbart. Das Bezirksgericht Zürich trat auf eine Klage mangels sachlicher Zuständigkeit nicht ein.
Das Handelsgericht ruft die Rechtsprechung des Bundesgerichts in Erinnerung, wonach die sachliche Zuständigkeit im Geltungsbereich der ZPO der Parteidisposition entzogen ist. Die Parteien können nicht vereinbaren, eine Streitsache einem anderen als dem Handelsgericht zu unterbreiten, es sei denn, das Gesetz sehe eine Wahlmöglichkeit vor, wie dies etwa in Art. 6 Abs. 3 ZPO vorgesehen ist (BGE 138 III 471, E. 3.1) (E. 3.11).
Das Handelsgericht leitet daraus ab, dass den Parteien in Konstellationen, in denen der nicht im Handelsregister eingetragenen klagenden Partei ein Wahlrecht gemäss Art. 6 Abs. 3 ZPO zusteht, eine gewisse Dispositionsfreiheit bezüglich der sachlichen Zuständigkeit zukommt. Eine Vereinbarung über die sachliche Zuständigkeit ist deshalb nicht grundsätzlich ausgeschlossen (E. 3.11-3.13). Vor Entstehung einer Streitigkeit ist eine Vereinbarung über die Zuständigkeit des Handelsgerichts, wie dies vorliegend der Fall war, unzulässig. Denn der Gesetzgeber wollte die Wahl gemäss Art. 6 Abs. 3 ZPO der (schwächeren) klagenden, nicht im Handelsregister eingetragenen Partei überlassen. Im Zeitpunkt des Vertragsschlusses bestünde jedoch die Gefahr, dass das Wahlrecht vom verhandlungsstärkeren Unternehmer diktiert würde (E. 3.18). Nach Entstehung einer Streitigkeit ist sich hingegen auch der Nicht-Kaufmann der Tragweite einer solchen Vereinbarung bewusst. Er kann deshalb – unabhängig von materiellrechtlichen Abreden – im Rahmen einer Vereinbarung sein Wahlrecht ausüben. Wann eine Streitigkeit entstanden ist, bestimmt sich nach der Lehre und Praxis zu Art. 35 Abs. 2 ZPO (E. 3.19).
Das Wahlrecht gemäss Art. 6 Abs. 3 ZPO wird mit der Einreichung der Klage beim Wahlgericht ausgeübt. Die Ausübung ist bedingungsfeindlich und unwiderruflich. Tritt die Fortführungslast ein, wurde die Klageschrift mithin der beklagten Partei zugestellt (Art. 65 ZPO), kann die Ausübung des Wahlrechts nicht mehr widerrufen werden. Im vorliegenden Fall war deshalb das Bezirksgericht Zürich sachlich zuständig und das Handelsgericht trat auf die Klage nicht ein (E. 3.22).
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